Religionswissenschaft und Religionsgeschichte
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Dies academicus: Queere Theologie

Diverse Identitäten und religiöse Normen neu denken

Vielfältige Lebensformen jenseits von heteronormativen Beziehungen und binären Geschlechteridentitäten beschäftigen in der heutigen Gesellschaft Individuen, Gemeinschaften und Institutionen. In religiösen Gemeinschaften übernimmt dieses Thema eine besondere Bedeutung, nicht zuletzt weil Geschlechtsbeziehungen zu den Grundthemen religiöser Traditionen gehören. Gesellschaftlich, kirchlich und theologisch wird Queer-Sein diskutiert, wobei sich die Perspektiven wechselseitig bedingen. Ursprünglich pejorativ und nun als Selbstbezeichnung eingesetzt, verbindet queer zum Beispiel lesbische, schwule, bisexuelle, trans* oder inter* und agender aber auch nicht-binäre Personen in einem gemeinsamen Sammelbegriff. Queer vereint Minderheiten sexueller Orientierung wie Geschlechtsidentitäten und transportiert ein emanzipatives Moment. Queer Theology bezeichnet einerseits eine queersensible Theologie als auch epistemologische Selbstunterbrechungen.

Gesellschaftspolitisch befördert die gegenwärtige Debatte zum Selbstbestimmungsgesetz eine Polarisierung und verlangt auch eine theologisch-ethische Fundierung, nicht zuletzt, weil auch protestantische Anthropologie von binärer Heteronormativität geprägt ist und diese prägt. Auf transnationaler Ebene deutet die Kritik an der 'westlichen Diversität' mit Blick auf Identität und Lebensformen des Patriarchen Kyrill I. von Moskau, mit der er den Angriffskrieg auf die Ukraine rechtfertigt, auf ein neues Distinktionsmerkmal zwischen Liberalismus und Autoritarismus hin.

Kirchlich ist eine erste Institutionalisierung von Queer Theology erkennbar – beispielsweise durch eine seit 2022 beim Zentrum für Seelsorge in Hannover angesiedelte Pfarrstelle für Queersensible Seelsorge. Zudem ist eine erste praktisch-theologische Arbeitshilfe für Queersensible Seelsorge von Dr. Kerstin Söderblom veröffentlicht worden (2023). Darin sind bereits Öffnungen vorausgesetzt, die noch nicht in allen Landeskirchen mitgetragen werden, z. B. Trauungen für gleichgeschlechtliche Paare – eine normierende Ungleichbehandlung zwischen queeren und nicht-queeren Personen ist weiterhin kirchliche Praxis. Zur Analyse von agonalen Positionen bedarf es einer biblisch-theologischen und religionsgeschichtlichen Bearbeitung, wie sie beispielsweise in Klaus Fitschens Monographie Liebe zwischen Männern? Der deutsche Protestantimus und das Thema Homosexualität (2018) vorgenommen wurde.
Queer Theology ist ein die Disziplinen der Theologie und Religionswissenschaft überschreitendes und miteinander verschränkendes Querschnittsthema. Zu einer basalen Selbstreflexion lädt das Konzept des Queering Theology ein. Es lädt ein und fordert dazu auf, die (eigenen) oftmals impliziten Epistemologien und normativen Ordnungen transparent zu machen und zu hinterfragen. Wo Queer Theology aufhört und Queering Theology beginnt, ist eine offene theologische und religionswissenschaftliche Debatte, die es zu führen gilt. Sie betrifft methodologische wie strukturelle Fragen, die sowohl Zuordnungen im Fächerkanon als auch Disziplinen je für sich, konkret jede religionsbezogene Forschung betreibende Person betreffen (vgl. Knauß 2021).

Alles in allem hat in den letzten Jahrzehnten ein Wandel in der Auseinandersetzung und der Bewertung vielfältiger Lebensformen stattgefunden. Insbesondere die Polarisierungen im Kontext des russischen Überfalls auf die Ukraine und die Überlappung von evangelikalen und rechten Akteur*innen werfen theologische Fragen auf. Im Rahmen eines Dies Academicus unserer Fakultät möchten wir uns mit diesen zusammenhängenden und doch differenzierenden Themen beschäftigen. 

 

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Involvierte Mittelbauangehörige:

Martin Hinz (Altes Testament), Carlotta Israel (Kirchengeschichte), Nora Meyer (Systematische Theologie), Elisabeth Perschthaler (Systematische Theologie)

Kontakt:

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Nora Meyer

Förderung:
Das Projekt wird durch das Mentoring-Programm der Evangelisch-Theologischen Fakultät gefördert.